Quartier Adlershof
Ganzheitlich smart

Beim Bauvorhaben Future Living® Berlin entsteht ein Zukunftsmodell für vernetzte Stadtquartiere: »Smart, nachhaltig und für jeden zugänglich« lauten die Planungsgrundsätze. Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung als Element des nachhaltigen Bauens war Voraussetzung – und wurde gewinnbringend im Konzept integriert.

25. Juni 2019
Future Living Ansicht von FutureLiving nach Fertigstellung
Ansicht von FutureLiving nach Fertigstellung

Die auffälligen Turmbauten mit den schrägen Dächern sind weithin sichtbar: An der Kreuzung Groß-Berliner-Damm/Hermann-Dorner-Allee in Berlin-Adlershof wird auf rund 7.600 Quadratmetern das Stadtquartier Future Living® Berlin errichtet. Bauherrin und Investorin ist die GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg GmbH aus Sigmaringen, Architektur und Projektentwicklung stammen von der Unternehmensgruppe Krebs GmbH & Co. KG aus Berlin. Auf dem Areal entstehen bezahlbare Mitwohnungen und möblierte BoardingHouse-Studios, dazu Gewerbeeinheiten und Gastronomie. Anfang 2020 sollen die ersten Mieter:innen einziehen.

Future Living der zukünftige Innenhof des Quartiers
Der zukünftige Innenhof des Quartiers

Von Anbeginn standen intelligente und digital vernetzte Lösungen für Wohnen und Mobilität in der Zukunft im Fokus des Bauvorhabens. Zudem werden Plusenergiehäuser umgesetzt. Darunter verstehen sich Häuser mit einer positiven jährlichen Energiebilanz. Hierfür befinden sich auf der Hälfte der Schrägdächer Photovoltaikanlagen, die einen Energieüberschuss produzieren.

 

Die Regenwasseragentur hat nachgefragt, wie es im Gebiet um das Regenwassermanagement steht. Ein Besuch vor Ort und ein Gespräch mit den Projektverantwortlichen hat positive und lehrreiche Ergebnisse zu Tage gefördert.

Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung

»Über den B-Plan ist vorgegeben, dass das Regenwasser komplett vor Ort bewirtschaftet werden muss«, erzählt Dörte Eggert-Heerdegen, die Landschaftsarchitektin. »Das Stadtgebiet ist zwar an einen Retentionsbodenfilter gekoppelt, doch dieser ist ausgelastet. Das macht es wegen der örtlichen Bedingungen hier nicht ganz einfach.«

 

Der Technologiepark Adlershof wurde nämlich als »Schwammstadt« geplant. Während die stärker befahrenen Straßen, Altbauten und einige Sonderflächen, etwa durch Altlasten belastete Grundstücke, über eine Kanalisation entwässert werden, soll das Regenwasser der meisten privaten Grundstücke vor Ort bewirtschaftet werden.

 

Als Herausforderung kam hinzu: Das Grundwasser steht dicht unter der Oberfläche. »Daher schieden unterirdische und platzsparende Rigolen als Entwässerungsmaßnahme aus«, ergänzt Andreas Stellwag, Architekt und Geschäftsführer der Multiplan Bauplanungs GmbH, des beauftragten Generalplaners.

 

»Wir haben eine Vielzahl von Mulden angelegt, in denen das Wasser versickern kann.« Dazu wurde das Grundstück an der Südseite etwas erhöht. Zusätzlich wurde etwa die Hälfte der Dächer begrünt, um das Regenwasser zurückzuhalten und die Verdunstung zu erhöhen. Alle Wege im Quartier werden zudem barrierefrei mit einem wasserdurchlässigen Belag – einer epoxidharzgebundenen Wegedecke – hergestellt.

»Auch dezentrale Regenwasserbewirtschaftung ist smart. Der Wegebelag ist dafür ein gutes Beispiel: Er ist zwar teurer als gewöhnliche Bodenplatten – aber dafür sparen wir Regenwasserentgelt.«
Birgid Eberhardt, GSW Sigmaringen

Für beide Planenden ist das in dieser Kombination neu, doch sie sind auch überzeugt, dass die Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung sowohl das Mikroklima im Quartier verbessern und zu einer besseren Aufenthaltsqualität beitragen werden. Und: »Auch dezentrale Regenwasserbewirtschaftung ist smart. Der Wegebelag ist dafür ein gutes Beispiel: Er ist zwar teurer als gewöhnliche Bodenplatten – aber dafür sparen wir Regenwasserentgelt«, erzählt Birgid Eberhardt als Projektverantwortliche.

Luftbild von Konrad-Zuse-Straße nach Nord-Osten
Innenhof der Baustelle

Gefahr Extremregen

»Hier auf dem Gelände wird viel komplexe Technik installiert. Das Wasser darf keinesfalls in die Häuser laufen«, erklärt Dörte Eggert-Heerdegen. Entsprechend wichtig ist auch die Starkregenvorsorge. Für das Grundstück war ein sogenannter Überflutungsnachweis zu erbringen. Dieser belegt, dass Wasser bei einem Starkregenereignis schadlos zurückgehalten bzw. einem übergeordneten Regenwassermanagement zugeführt werden kann.

 

Der Nachweis erfordert Berechnungen und Zeichnungen zu möglicherweise bei Starkregen anfallenden Regenwassermengen und deren Verbleib auf dem Gelände. Er wurde hier gemeinsam mit den verantwortlichen Haustechnik-Fachkräften erbracht. »Es bietet sich an, sich von Beginn an gemeinsam konzeptionelle Gedanken zu machen«, empfiehlt Dörte Eggert-Heerdegen. Denn: Durch das frühzeitige Zusammenspiel von Bauherr:innen, Architekt:innen und Fachplanenden ließen sich spätere Schwierigkeiten gezielt vermeiden. Um dem noch besser gerecht werden zu können, machte die Fachfrau eine Fortbildung als Fachplanerin für Starkregenvorsorge.

Rückschläge und wirtschaftliches Umdenken

Vor rund drei Jahren geriet das Projekt ins Stocken. »Trotz vorangeschrittener Planung explodierten die Kosten«, schildert Birgid Eberhardt von der GSW die Situation. »Wir hielten kurz inne und gestalteten alles insgesamt wirtschaftlicher.« Schließlich, so die Projektverantwortliche, sollten die fertigen Mietwohnungen bezahlbar bleiben.

 

Der Kostenfaktor war es dann auch, der gegen die Realisierung einer Intensivbegrünung sprach – insbesondere die Folgekosten der Pflege und Instandhaltung. Eine Fassadenbegrünung, auch nur mit einfachen Kletterranken, war in Verbindung mit der für den geplanten Energie-Plus-Standard notwendigen Gebäudehülle nicht zu realisieren.

»Es ist im Grunde doch absurd, Flächen zu versiegeln und große Rohre zu verlegen, wenn es auch anders gehen kann.«
Birgid Eberhardt, GSW Sigmaringen
Planaufsicht der Gebäude
Plan des Quartiers mit Maßnahmen dezentraler Regenwasserbewirtschaftung

Regenwasserbewirtschaftung als Lernfaktor

Ein gutes halbes Jahr wird es bis zum geplanten Erstbezug der Mieter:innen noch dauern. Man habe, da sind sich der Planer und die Landschaftsarchitektin einig, wichtige neue Erfahrungen im Bereich des Regenwassermanagements sammeln können und werde in Zukunft Aspekte der Regenwasserbewirtschaftung weiterhin verstärkt mitdenken.

 

Zufrieden zeigt sich auch die GSW: »Wir haben alle einen guten Job gemacht. Entscheidend waren teamfähige, kompetente Partnerschaften«, bilanziert stellvertretend Birgid Eberhardt. Und mit Blick auf die dezentralen Bewirtschaftungsmaßnahmen für Regenwasser stellt sie fest: »Es ist im Grunde doch absurd, Flächen zu versiegeln und große Rohre zu verlegen, wenn es auch anders gehen kann. Die GSW hat langjährige Erfahrungen mit einzelnen Maßnahmen. Wir sind gespannt, wie sich die Kombination von Lösungen für Future Living® Berlin bewähren wird, um sie dann auf andere Projekte zu übertragen.«