Gewerbestandort Schöneberg
Büro am Wasser

Der ehemalige Industriekomplex der Schultheiss-Mälzerei wurde über mehrere Jahre saniert und zu einem Gewerbe- und Kulturstandort entwickelt. In diesem Zuge wurde das Gelände 2015 weitgehend von der Kanalisation abgekoppelt. Entstanden ist eine grüne Idylle mit Industriecharme und hoher Aufenthaltsqualität.

30. Mai 2022
Wasserbecken auf dem Gelände der Malzfabrik

Das Grundstück in Berlin-Schöneberg wurde 2005 durch die “Real Future AG” gekauft und 2010 durch den Ankauf der südlich anliegenden Naturbrache erweitert. Bis 2016 wurde das Gelände Stück für Stück zu einem Ort der Nachhaltigkeit entwickelt. Auf dem Gelände befinden sich Büros, Ateliers und produzierendes Gewerbe und es finden nachhaltige Events statt.

 

Mit dem Umbau des Areals entstanden diverse Naturgärten, Mieterbeete zum Office-Gärtnern und zwei Wasserbecken. Ein Naturlehrpfad befindet sich in Planung.

Lage: Berlin-Schöneberg

Baujahr: 1914-1917

Abkopplung/Sanierung: 2015-2016

Eigentümer:in: IGG Malzfabrik mbH

Planer:innen: Büro für Wasserwirtschaft + Tiefbau, Dipl.-Ing. Christoph Sobota; Aquaplaner Ingenieurgesellschaft für Wasserwirtschaft | Umwelt | Abwasser, Dipl.-Ing. Claudia Bruns

Ein vor den Umbaumaßnahmen angefertigtes Bodengutachten ergab eine gute Versickerungsleistung für die Fläche.

Die Regenwassergebühren verringerten sich von jährlich 33.823 Euro auf ca. 15.009 Euro.

Grundstücksfläche: 43.368 m²

Verbleibende versiegelte Fläche: 19.394 m²

Abgekoppelte Fläche (Teilflächenabkopplung): 11.074 m²

Retentionsfläche (Wasserbecken): 1.230 m²

Maßnahmen

Die Freiflächen des südlichen Grundstückteils wurden mit zwei Wasserbecken (sog. “Weiher” und “Freizeitbecken”) neu gestaltet. Die Niederschläge der Dach- und Verkehrsflächen des Werksgeländes gelangen über ein Freigefälle zur Zisterne und von dort über einen 30 cm starken Bodenfilter aus Biocalith, über eine Dränageschicht und Dränleitung in den naturnah ausgebauten “Weiher”. Die Zisterne erzielt eine zusätzliche Absetzwirkung von Schwebstoffen. Der Überlauf aus dem Regenwasserbecken erfolgt in eine darunterliegende
Hohlkörperrigole.

 

Das “Freizeitbecken” wird aus einem wieder ertüchtigten Tiefbrunnen gespeist. Das überschüssige Wasser aus dem “Freizeitbecken” fließt durch eine Freigefälleleitung zu einem Überlaufschacht des “Weihers” und von dort ebenfalls in die Rigole.

 

Die Ufer der zwei Wasserbecken und die Pflanzenfilterzonen sind mit einheimischen und teils gefährdeten Pflanzen bepflanzt. Außerdem wurden 900 m² Dachbegrünung angelegt, die das Regenwasser zurückhält und Staub- und Luftschadstoffe bindet.

Herausforderungen

Die Regenwasserleitungen mussten durch den Hof der Malzfabrik auf das Nachbargelände gelegt werden, da sich dort die Zisterne befindet. Um die wasserbehördliche Genehmigung zu erhalten, mussten mehrere Gutachten beauftragt werden.

Exkurs

Stadtstrukturtyp: Gewerbestandort mit dichter Bebauung

Die Malzfabrik lässt sich in der Berliner Systematik der Flächen- bzw. übergeordneten Stadtstrukturtypen (siehe Umweltatlas Berlin) dem Flächentyp “Gewerbe- und Industriegebiet, großflächiger Einzelhandel, dichte Bebauung” zuordnen, der 939 ha bzw. ca. 1,05 % der Berliner Gesamtfläche ausmacht. Dies meint Gebiete mit einer entsprechenden Nutzung, deren Grundstücksflächen mehr als zur Hälfte bebaut und intensiv genutzt sind.

 

Dieser Flächentyp wiederum ist ein Teil des übergeordneten Stadtstrukturtyps “Dichte Bebauung mit überwiegender Nutzung durch Gewerbe und Industrie”, zu dem auch der Flächentyp “Mischgebiet ohne Wohngebietscharakter, dichte Bebauung” gezählt wird. 1.075 ha bzw. ca. 1,21 % der Berliner Gesamtfläche entsprechen diesem Stadtstrukturtyp und bieten damit aufgrund der oftmals großen zusammenhängenden, hoch versiegelten Grundstücksflächen mit wenig Grün wichtige Potenziale für Abkopplung. Betrachtet man alle Stadstrukturtypen “mit überwiegender Nutzung durch Handel, Dienstleistung, Gewerbe und Industrie” (inkl. Gewerbe- und Industrie- sowie Mischgebieten mit geringer Bebauung, Kerngebieten und Ver- und Entsorgungsflächen) zusammen, ließe sich sogar eine Potenzialfläche von 7.054 ha bzw. ca. 7,92 % der Berliner Gesamtfläche ableiten.

 

Eine Abkopplung dieser Flächen durch die Umsetzung von Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung spart nicht nur Niederschlagswassergebühren dank der Entlastung der Kanalisation, sondern kann auch Überflutungsrisiken verringern, Hitze vorbeugen, Flächen grüner gestalten und damit die Aufenthaltsqualität erhöhen.

 

Mit Blick auf die Nutzung lässt sich bei der Malzfabrik auch eine Verbindung zum Flächentyp “Kultur” herstellen. Darunter sind Museen, Theater, Opernhäuser und ähnliche kulturelle Standorte zusammengefasst, welche insgesamt 295 ha bzw. ca. 0,33 % der Berliner Gesamtfläche einnehmen. Insbesondere bei kulturellen Sonderbauten oder Industriedenkmälern können Denkmalschutzbelange eine entscheidende Rolle bei der Umsetzbarkeit von Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung spielen.