Weiterbildung
Das wassersensible Neubauquartier

Berlin braucht Wohnraum. Wohin man schaut, es wird gebaut – und zwar möglichst zukunftsfähig! Dazu gehört Regenwasser vor Ort als Ressource zu bewirtschaften. Welche innovativen Lösungen es dafür gibt, haben wir im Rahmen der Berliner Regenreihe am 7.12.2021 am Beispiel zweier neuer Berliner Quartiere erfahren.

12. November 2021
Wassersensibel planen im Neubauquartier: Zwei Beispiele aus der Praxis, 07.12.2021, 14:00-16:30 Uhr

Das Zauberwort heißt: das wassersensible Quartier. Hier werden Regenwasser, Stadtgrün, Biodiversität, Bioklima, Aufenthaltsqualität und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zusammengedacht. Wie geht das? Baumrigolen, Regenwasserbewirtschaftung in Grünflächen, bepflanzte Tiefbeete und Biodiversitätsdächer sind nur einige Stichworte.

 

Wir haben die Fachplaner:innen der beiden Neubauquartiere »Lichterfelde Süd« und »Buckower Felder« eingeladen, die Zielsetzungen, speziellen Herausforderungen und innovativen Lösungen für die Regenwasserbewirtschaftung vor Ort vorzustellen. Die Präsentationsfolien zu »Lichterfelde Süd« und »Buckower Felder« können Sie herunterladen.

 

Nachfolgend finden Sie einen Mitschnitt der Vorstellung des Neubauquartiers »Buckower Felder«, die zentralen Botschaften der Veranstaltung sowie Fragen und Antworten aus der Diskussionsrunde zusammengefasst.

Möchten Sie erfahren, wie das Projekt »Buckower Felder« in die Umsetzung kommt? Dann werfen Sie einen Blick in das Baustellentagebuch.

Take-home Messages

Zentrale Botschaften der Veranstaltung haben wir für Sie zusammengefasst:

 

1. Die Regenwasserbewirtschaftung muss von Anbeginn in die Planung integriert werden, um erforderliche Flächen frühzeitig zu sichern und Nutzungskonflikten vorzubeugen.

 

2. Eine gute Grundlagenermittlung zu Beginn der Planung ist essentiell, um die Potenziale und Einschränkungen für die Regenwasserbewirtschaftung zu erkennen und die gewinnbringendste Lösung zu entwickeln.

 

3. Es hilft in der Planung alle relevanten Akteure an einen Tisch zu bringen, um Zielvorstellungen und Anforderungen für den Umgang mit Regenwasser zu definieren.

4. Ein wassersensibles Quartier erreicht man in der Regel nicht nur mit einer Maßnahme, sondern mithilfe vielfältiger Maßnahmenkombinationen.

 

5. Flächen können mehr als eine Funktion haben. So können verschiedene Nutzungsansprüche auf einer Fläche gelöst und Konkurrenzen reduziert werden, z. B. durch die Kombination von Solaranlagen und Regenrückhalt auf dem Dach oder durch eine Integration von Regenwasserbewirtschaftung in die Gestaltung einer abwechslungs- und artenreichen öffentlichen Grünanlage.

 

6. Überlegungen zu Betrieb und Pflege der Anlagen sollten bereits in der Planung mitgedacht werden.

 

7. Eine gut geplante dezentrale Regenwasserbewirtschaftung ist in der Regel wirtschaftlicher als eine konventionelle Entsorgung über Regenwasserkanäle.

Fragen und Antworten aus der Diskussionsrunde

An beiden Standorten werden zukünftig auch reguläre Regenereignisse eingeleitet. Die Straßenzüge werden zum Teil über straßenbegleitende Versickerungsanlagen entwässert. Weil die verfügbare Fläche nicht überall ausreicht, wird Regenwasser in die öffentlichen Grünflächen geleitet und dort versickert oder verdunstet. Da die Flächen auch als Aufenthalts- und Ausgleichsflächen dienen, spricht man hier von einer multifunktionalen Nutzung.

Die Topografie spielt eine zentrale Rolle. Eine frühzeitige Betrachtung der Topografie führt in der Regel zu einem sehr guten Regenwasserkonzept. Zudem sollten so wenig Arbeiten am Boden durchgeführt werden wie möglich. Eine Topografie im Nachhinein stark abzuändern, ist meist unverhältnismäßig und sprengt schnell den Kostenrahmen. Gelingt es nicht, das natürliche Gefälle für den Regenwassertransport zu nutzen, muss das Regenwasser mit aufwendigen Anlagen gefördert werden. Die Planung der Buckower Felder hat z.B. nur deswegen so funktioniert, weil der Landschaftspark an der tiefsten Stelle angeordnet wurde. Bei einer klar ausgeprägten Neigung gibt es auch eine Fließrichtung, die man für die Gebietsentwässerung wunderbar nutzen kann. Bei Inhomogenität der Topografie werden Lösungen für kleinere Abschnitte gebraucht.

Es entstehen im Bau generell mehr Kosten als vor beispielsweise 20 Jahren. Da in Berlin bei Bauvorhaben das Regenwasser nicht mehr regulär in das Kanalnetz eingeleitet werden darf, ist die konventionelle Bauweise keine Alternative mehr. Für die Buckower Felder wurde noch ein Kostenvergleich zur zentralen Entwässerung in Kombination mit einer Rückhaltung und Behandlung durchgeführt. Die geplante dezentrale Lösung fällt im Vergleich kostengünstiger aus, auch wenn der Betrieb miteingerechnet wird. Die Kosten sind allerdings sehr standortspezifisch.

Die Verwendung von Regenwasser zur Erzeugung von Verdunstungskühlung, zur Grundwasserneubildung oder zur Bewässerung von Vegetation stellt eine Regenwassernutzung dar, auch wenn Regenwasser nicht aktiv in Zisternen gespeichert wird. Die geplanten Maßnahmen bewirtschaften Regenwasser nutzbringend. Baumrigolen im Straßenland übernehmen eine ähnliche Funktion wie Zisternen. Retentionsgründächer erzeugen mehr Verdunstungskühlung, was auch den PV-Anlagen zugutekommt.

Der FIS-Broker ist eine hervorragende Datengrundlage für Berlin. Für eine erste Einschätzung sind die verfügbaren Informationen sehr gut geeignet. Auf den Hochflächen gibt es allerdings sehr inhomogene Bodenbedingungen. Dort werden bei Bauvorhaben meistens zusätzliche Bodenuntersuchungen im Verlauf der Planung benötigt.

Bei fünfjährigen Regenereignissen hat man sich auf eine maximale Einstauhöhe von 30 cm verständigt, ähnlich wie bei einer Mulde, die nach den anerkannten Regeln der Technik geplant wird. Bei selteneren Regenereignissen sind Einstauhöhen von bis zu 80 cm vorstellbar. Dieses Maximum beschreibt allerdings nur den tiefsten Punkt, nicht die Randbereiche. An den Rändern der Retentionsflächen ist die Neigung und Einstauhöhe des Wassers sehr gering. Deshalb wird auf eine Umzäunung verzichtet.

Eine entsprechende Sondervereinbarung wird derzeit zwischen den Berliner Wasserbetrieben und dem Grünflächenamt Neukölln abgestimmt. Diese definiert nicht nur die erforderliche Qualität von Pflege und Wartung, sondern regelt auch Fragen der Verantwortlichkeit und Finanzierung. Ziel ist es, eine effiziente Pflege der gesamten Grünanlage aus einer Hand zu gewährleisten. Bei Fertigstellung könnte die Vereinbarung idealerweise auch für weitere, ähnliche Fälle genutzt werden.

Eine Versickerungsanlage mit belebter Bodenzone dient selbst laut den allgemein anerkannten Regeln der Technik als Behandlungsanlage. Die belebte Bodenzone filtert die Schadstoffe aus den Regenwasser. Eine weitere, technische Vorbehandlung erfolgt nur bei hochbelasteten Regenwasser.

In Berlin gibt es bislang nur wenige Beispiele. Eines davon ist auf dem Grundstück vom Krankenhaus am Friedrichshain zu sehen. Das Thema wird auch in der Arbeitsgruppe Neuausrichtung Straßenentwässerung bearbeitet. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Abkopplung von Flächen von der Kanalisation in Bestandsstraßen mit Hilfe von dezentralen Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung. Erschwert wird die Abkopplung durch ausgeprägte Flächenkonkurrenzen, durch Leitungen im Untergrund sowie Altbaumbestände, die erhalten werden sollen.

Das ist in Berlin heute üblich. Nur so können die erforderlichen Flächen gesichert werden. Öffentliche Straßen sind zwar nicht Bestandteil von Bebauungsplänen, doch muss zumindest eine ausreichende Straßenbreite vorgesehen werden. Hierfür wird parallel zur Aufstellung eines Bebauungsplans ein sogenanntes Fachgutachten Regenwasser angefertigt, das die Entwässerung der öffentlichen und privaten Baufelder in den Blick nimmt. Je nach den Verhältnissen vor Ort ist es manchmal erforderlich, geringe Mengen Regenwasser von privaten Grundstücken im öffentlichen Raum zu bewirtschaften. Dies ist beispielsweise in den Buckower Feldern der Fall, weil die Versickerungsfähigkeit des Bodens derart gering ist.

Erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Funktionstüchtigkeit oder Nutzung gab es an diesen Standorten nicht. Die Teile der Retentionsflächen, die regelmäßig mit Regenwasser beschickt werden, werden so bepflanzt, dass sie nicht betreten werden können. Daher kann eine Verdichtung der Kernfläche ausgeschlossen werden. Zudem kann ein Großteil der Fläche zu 80 % des Jahres voll genutzt werden. Das Regenwasser staut sich nur bei seltenen Regenereignissen bis zum äußersten Rand auf.

Der Oberboden von Versickerungsanlagen muss bepflanzt werden, um die Versickerungsleistung aufrechtzuerhalten. Oft wird eine Rasenbepflanzung dazu verwendet, aber auch alternative Bepflanzungen sind möglich. Welche Pflanzen eingesetzt werden, hängt von dem Betriebsaufwand und dem Standort der Versickerungsmulde ab. Auch Bepflanzungen mit Bäumen sind unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen möglich.

Über die Berliner Regenreihe

Auf Hitze, Trockenheit und Starkregen gibt es eine Antwort: die wassersensible Stadt. Mit unserer Veranstaltungsreihe laden wir Bauherr:innen, Planer:innen, Ausführende, Angestellte der Verwaltung und die Berliner:innen dazu ein, Themen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung fachlich zu vertiefen und Fragen der Umsetzung zu diskutieren: mit uns und ausgewählten Expert:innen, alle zwei bis drei Monate, kostenfrei und digital. Wir freuen uns auf Sie!